biographie

 
   
 
 

Michail

Borissowitsch

Mindlin

 
 

Andreas Schmidt:



Für Michail Mindlin



schön – daß dein gehstock in keiner ecke steht

langsam und beschwerlich

gehst du

auf der abszisse zwischen geburt und tod

zurück

während die spieldose der roten henker

unsterbliche lieder singt

gräbst du dich in die zugeschaufelte stille

verschollenen lebens

die gestürzten augen der erschossenen

spürst du auf

namen

die gesichtern gehören

schön – daß dein gehstock in keiner ecke steht

solange deine pulse klopfen



(Moskau, 21.5.1993)

Horch und Guck, 6/1993.

Michail Mindlin: Anfas i Profil'. Moskau 1999.

   
 

19.08.1909

geb. in Dnjepropetrowsk.

1929-1930

Einsatz bei der Kollektivierung. Vorübergehender Ausschluss aus dem Komsomol wegen Nichteinhaltens des Kollektivierungsplans. Parteieintritt.

1931-1937

Dienst in der Armee. Aufgrund eines Parteibeschlusses verlängerte Dienstzeit. Kommandant einer Panzerkompanie.

13.07.1937

Parteiausschluss wegen mangelnder revolutionärer Wachsamkeit und Kontakt zu dem "Volksfeind" Eideman.

25.07.1937

Verhaftung. Untersuchungshaft in der Lubjanka und Butyrka, kurzzeitig Lefortowo.

20.12.1937

Urteil durch einen Sonderausschuss beim NKWD zu acht Jahren Lagerhaft ohne Entzug der bürgerlichen Rechte wegen konterrevolutionärer trotzkistischer Tätigkeit.

Ende 1937/1938

Transport ins Lager, Haft im Bamlag.

1938-1941

Transport nach Kolyma. Arbeit in der Goldgrube, später beim Bauholztransport.

1941-1945

Transport nach "Dschelgala" (jakut.: „Tal des Todes“). Einrichtung eines neuen Lagers. Eine vorzeitige Haftentlassung (wegen guter Arbeit) im Jahre 1943 wird wegen des Krieges ausgesetzt. Seine freiwillige Meldung an die Front wird nicht akzeptiert. Ablehnung einer Zusammenarbeit mit dem NKWD.

25.07.1945

Ende der vorgesehenen Haftzeit. Bleibt zunächst inhaftiert bis zu besonderer Verfügung.

14.11.1946

Entlassung. Übersiedlung nach Magadan.

1947-1949

Erhält einen Pass mit dem Aufenthaltsverbot für die 37 größeren Städte des Landes. Lebt mit Familie (Frau und Sohn) in Nischne-Troizkoe/Baschkirien bei der Schwiegermutter.

Mai 1949

Erneute Verhaftung. Transport ins innere Gefängnis von Ufa. Urteil durch einen Sonderausschuss beim NKWD zu ewiger Ansiedlung in entlegene Regionen der UdSSR.

1949-1955

Verbannung in der Region Krasnojarsk. Arbeit in der Holzindustrie. 1951 Ankunft seiner Frau. Später Umzug nach Kaulez.

1955/56

Rehabilitierung. Wiederaufnahme in die Partei.

1956-1970er Jahre

Arbeit in einer Moskauer Werkzeugfabrik.

1991-1998

Gründung einer Gruppe für die Sammlung von Informationen über Personen, die an der Massenhinrichtungsstätte von Butowo erschossen wurden. Mitarbeit in der Moskauer Gesellschaft "Woswraschtschenie" (Rückkehr), Teilnahme an internationalen Konferenzen zum Thema "Widerstand im GULag". Maßgeblicher Initiator der Errichtung eines Gedenksteins auf der Hinrichtungsstätte in Butowo.

21.10.1998

Tod in Moskau.

Lagerhaft in

NORDÖSTLICHES ITL, JANA-BERGBAUVERWALTUNG UND ITL DES DALSTROI

     
 

Fotos, Illustrationen und Dokumente

In ButowoMindlin: EntlassungsbescheinigungRehabilitierungsbescheinigung  

In Butowo

Mindlin: Entlassungsbescheinigung

Rehabilitierungsbescheinigung

  

Biographie: Vera Ammer

Die Veröffentlichung des Fotos in Butowo und des Gedichts erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Andreas Schmidt und der Redaktion von "Horch und Guck".