Mittlerweile war es Herbst 1936 und Mama wollte nach all dem, was sie durchgemacht hatte, Urlaub in Gursuf machen. Sie kam noch gar nicht richtig zu sich, als sie in der Zeitung den Prozessbericht über das Terrorzentrum des "trotzkistisch-sinowjewschen Blocks" las, zu dem mein Vater gehörte. Angeblich hatte er mit einem Revolver einen Anschlag auf Woroschilow verübt. Mama raste nach Moskau, wo sie erneut aus der Partei ausgeschlossen wurde und ihren Arbeitsplatz verlor. Alle Bekannten und Kollegen, mit denen sie zusammengearbeitet hatte und befreundet war, grüßten sie nicht mehr und wechselten bei einer Begegnung die Straßenseite. Eine Ausnahme bildeten die Deutschen. Sie versuchten ihr irgendwie zu helfen, sie zu trösten, sie kamen und sagten ihr, dass sie ihr glauben würden.
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Im Laufe vieler Jahre saßen im KarLag 8.000 Frauen – junge, schöne, intelligente Frauen. Die Lagerverwaltung "wachte" verstärkt über die Moral dieser Frauen, von denen jede ein anderes Temperament hatte. Nicht alle hielten das erzwungene Gelübde der Ehelosigkeit aus. Männer gab es im Lager in der Wache, in den Werkstätten und als Fahrer der landwirtschaftlichen Maschinen u.s.w. Man traf sich auf den Toiletten und ähnlichen Orten. Sie wurden gefangen, mit Karzer bestraft, die Bestrafungen wurden bei Überprüfungen angekündigt. Abtreibungen wurden auch mit Karzer bestraft. In den Karzer kamen auch jene, die etwas wussten, aber nicht denunzierten. Die Frauen wurden zur Entbindung in die "Mütterabteilung" eingewiesen. Später wurden die Kinder in Lager geschickt und die Mütter wieder den allgemeinen Arbeiten zugeteilt. Die Lagerverwaltung führte einen ständigen und erfolglosen Kampf gegen die Natur.
Natalja Jakowlewna Galper in den Erinnerungen an ihre Mutter Marija Galper. Moskau, 1989. Archiv NIPZ "Memorial".
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