Eine kleine Baracke für die Frauenbrigade des Strafblocks, außerdem eine Männerbaracke, ein Haus für die Bewachungsmannschaften, eine Badestube, ein Arrestloch und eine ganze Reihe gut gebauter Schafställe: das war der Unterabschnitt Leninskoje. Am nächsten Morgen schon begann unsere Arbeit. Im Sommer sind die Schafe draußen auf der Steppe. Die Kolonne wurde ausgerüstet mit Spaten, Spitzhacken und Schaufeln. Die Aufgabe war, den Boden des Schafstalles und des umliegenden Gebietes aufzuhacken, diesen vertrockneten Mist auf Ochsenwagen zu laden, in die Steppe hinauszufahren und. dort zu verbrennen. Es war eine Hundearbeit. Vor allen Dingen vor den Schafställen, wo der Boden von einem Netz von Queckenwurzeln durchzogen war und dem Spaten und der Spitzhacke trotzte. An einem Tage geschah ein Wunder. Wir mühten uns schweißtriefend ab. Der Soldat, der uns bewachte, stand in einiger Entfernung. Es war ein Kasache. Plötzlich legte er sein Gewehr mit dem aufgepflanzten Bajonett auf die Erde, nahm einem Häftling die Spitzhacke aus der Hand und begann, eine tiefe Furche aufzuschlagen, so daß wir eine Ansatzstelle für unsere Spaten fanden. Das war das erste und einzige Mal, daß ich einen Bewachungssoldaten gesehen habe, der uns geholfen hat. Man kann sich vorstellen, wie ihn die Häftlinge liebten.
Margarete Buber-Neumann: Als Gefangene bei Stalin und Hitler. Ullstein Taschenbuch Frankfurt/Main-Berlin 1993, S.112.
(Textauswahl: S. Jenkner)
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