biographie

 
   
 
 

Lew

Emanuilowitsch

Rasgon

 
 

"Im November 1938 brachte man 270 Chinesen aus dem Fernen Osten zu uns. Sie hatten in der Mandschurei gelebt. Sie trugen riesige Mützen aus Wolfsfell, lange Pelzmäntel und besondere, wattegefütterte Stiefel. Sie hatten offenbar seit Jahrhunderten im Grenzgebiet gelebt, wo es keine deutliche Grenzmarkierung gibt, und waren im Sommer nach Russland gekommen, um dort bis zum Winter bei der Gemüseernte zu helfen. 1937 und 1938 wurden sie alle verhaftet. Sie bekamen acht Jahre wegen „illegalen Grenzübertritts“ und landeten in den Lagern. …Bei uns wurden sie zu Schlepparbeiten „von Hand“ eingesetzt. Das hieß, die Baumstämme zu den Transportwegen zu transportieren. Gewöhnlich machen das Pferde. Aber Pferde gab es nicht genug, sie waren teuer, und außerdem hätte man für sie im Holzschlag Breschen schlagen müssen. So war es viel einfacher, hier Menschen einzusetzen. Ich war bei dieser Schlepparbeit von Hand und weiß, was das bedeutet. Die Augen treten aus ihren Höhlen, man hat keinen einzigen Gedanken mehr im Kopf, man geht und denkt nur an das eine, wie man sich so schnell wie möglich dieser schrecklichen, erdrückenden, tödlichen Last entledigen kann… Länger als eine Woche hielt das keiner von uns durch. Nur die Chinesen verrichteten diese Arbeit Tat für Tag mit stiller Gleichmut. Jeder von ihnen hielt rechts einen Stock, mit dem er den Weg ertastete. Zehn Personen trugen den Stamm, der fast zwei Tonnen schwer war, sie trugen ihn vorsichtig, gleichmäßig, sehr geschickt. … 269 Chinesen waren bis zum Februar 1939 gestorben. Einer von ihnen überlebte – er arbeitete als Koch in der Küche."

Pamjati L. Ė. Razgona. Plennik ėpochi (Zum Gedenken an Lew Rasgon. Ein Gefangener seiner Zeit). Moskau 2002. S. 99.

   
 

01.04.1908

Geb. in Gorki, Gouvernement Mogilewsk (heute Belarus).

1922

Umzug nach Moskau.

1924

Eintritt in den Komsomol.

1926-1928

Schulabschluss, Mitarbeit in der Zeitung "Komsomolskaja Prawda", Arbeit im Haus der Pioniere.

1928-1931

Arbeit in der Zeitschrift "Woschaty" (Pionierleiter).

1932

Abschluss des Geschichtsstudiums in Moskau. Eintritt in die KPdSU (B).

1933-1936

Arbeit als höherer operativer Bevollmächtigter der OGPU. Heirat mit Oxana Boki (Tochter des NKWD-Funktionärs Gleb Boki).

1937

Verhaftungen des Vetters Israil Rasgon (erschossen am 2.12.1937), des Vaters seiner Frau, Gleb Boki (erschossen am 15.11.1937), der Schwiegermutter Sofja Moskwina-Boki (erschossen am 8.4.1938) und ihres zweiten Mannes, Iwan Moskwin (erschossen am 27.11.1937).

1938

Verhaftung der Ehefrau Oksana Boki. Urteil: Acht Jahre Lagerhaft. Verstirbt auf dem Transport in Wogwosdino. Verhaftung der Schwägerin Jelena Boki, die zu acht Jahren Lagerhaft und Verbannung verurteilt wird.

18.04.1938

Verhaftung. Untersuchungshaft in der Lubjanka u. Butyrka.

21.06.1938

Verurteilung durch einen Sonderausschuss beim NKWD zu fünf Jahren Lagerhaft. Transport über die Durchgangslager Kotlas, Wogwosdino, Simka, Mechbasa nach Ustwymlag. Arbeit in der Holzfällerei.

März 1943

Erneute Verhaftung im Lager kurz vor Verbüßung der ersten Strafe. Anklage wegen angeblich "defaitistischer Agitation zu Kriegszeiten". Neues Urteil, gegen das er Revision einlegt.

Juni 1943

Annullierung des zweiten Urteils. Entlassung, bleibt aber bis auf weiteres zum Aufenthalt im Lager verpflichtet. Arbeit als Normierer.

1945

Erhält die Erlaubnis, das Lager zu verlassen.

1948

Umzug nach Stawropol. Arbeit in einer Abteilung für kulturelle Aufklärung.

März 1949

Verhaftung der zweiten Frau, Rebekka Berg, Verurteilung zu lebenslanger Verbannung in die Region Krasnojarsk. Rasgon verliert seine Arbeit.

1950

Erneute Verhaftung. Verurteilung zu zehn Jahren Lagerhaft und fünf Jahren Verlust der bürgerlichen Rechte. Legt Revision ein, die abgelehnt wird.

1951-1953

Aufenthalt in Durchgangsgefängnissen.

1953-1954

Ankunft in Rekun. Arbeit im Holzeinschlag. Transport nach Tschepez. Arbeit als Normierer.

02.07.1955

Vorfristige Haftentlassung. Rückkehr nach Moskau. Rehabilitierung. Wiederaufnahme in die KPdSU.

1955-1961

Redakteur im Verlag für "Kinderliteratur".

1960-1990

Etliche Publikationen. Mitglied im Schriftstellerverband.

1987/88

Publikation autobiographischer Erzählungen in mehreren Zeitschriften. Teilnahme an der Gründung von "Memorial".

1990

Austritt aus der KPdSU.

1992-1999

Arbeit in der Begnadigungskommission beim Präsidenten.

08.09.1999

Tod in Moskau.

Lagerhaft in

SOLIKAMSKER ITL, UST-WYM-ITL

   
 

Ausgewählte
Biographien

 
 

Fotos, Illustrationen und Dokumente

Lew RasgonLew Rasgon und Rebekka BergLew Rasgon auf einer Veranstaltung, Moskau 1997Lew Rasgon zwei Tage nach der HaftentlassungIm Lager. 1953.

Lew Rasgon

Lew Rasgon und Rebekka Berg

Lew Rasgon auf einer Veranstaltung, Moskau 1997

Lew Rasgon zwei Tage nach der Haftentlassung

Im Lager. 1953.

Lager-KontrollkarteIm UstwymLag 1948   

Lager-Kontrollkarte

Im UstwymLag 1948

   

Biographie: Vera Ammer