"Morgens um fünf Uhr oder um sechs Uhr wurde man in diesem Arbeitslager geweckt. Da gab es eine Portion Wassersuppe, eine Portion Kascha – das war dieser Getreidebrei. Und darauf gab es drei oder fünf Gramm, teilweise sieben Gramm Öl. Wenn man die Norm nict erfüllte, gab es weniger Öl. Dann gab es pro Tag 20 bis 30 Gramm Zucker. Das wurde jede Woche in einem Säckchen abgeholt. Und dann gab es Fisch, Trockenfisch. Das waren ganz kleine, gläserne Fischchen, die vom Eismeer kamen, die einen so traurig anguckten. Die wurden so auf den Tisch gekippt und dann konnte sich jeder diese kleinen Fischchen nehmen. Die Fischchen waren wichtig wegen des Eiweißes, dass man ein bisschen Eiweißnahrung zu sich nahm. Das Brot war rationiert. Man bekam so 400 bis 500 Gramm Brot am Tag. Und wenn man das Brot richtig drückte, dann lief unten das Wasser heraus. Zum Teil war das Brot damals noch, also in den Jahren 1951, 1952 mit Sägemehl versetzt.
Das Lagerleben war schlimm. Ein Lager hatte so sechs bis zehn Baracken. Wenn die Arbeit beendet war, wurde man in den Baracken eingeschlossen. Nach Stalins Tod im März 1953 änderte sich das. Dann konnte man sich im Lager frei bewegen und die Baracken waren nicht mehr abgeschlossen. Das war ein großer Vorteil. Nach Stalins Tod wurde auch das Brot besser. Und die Ration, die Brotration wurde so bemessen, dass jeder sich soviel Brot nehmen konnte, wie er wollte. Und 1953 wurde dann auch die Arbeitsnorm ein bisschen runtergestuft."
Anne Drescher: Haft am Demmlerplatz. Gespräche mit Betroffenen. Sowjetische Militärtribunale Schwerin 1945-1953. Hrsg.: Der Landesbeauftragte für Mecklenburg-Vorpommern für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR. Schwerin 2004, 2. Aufl., S. 159-182, hier S. 169.
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