"Ob man krank war oder nicht, das wurde weiter nicht untersucht. Und dann kam ich schließlich in diesen Schacht VI, einen miesen Stollen – vielleicht 60 Zentimeter hoch – wo man Methangas hatte. Ich musste dort Stempel bauen mit noch einem ehemaligen Studenten zusammen. Wir konnten vor lauter Kraftlosigkeit diesen Stempel nicht halten. Ich hielt den Stempel, er nahm den Hammer und fiel gleich vom Gewicht des Hammers nach hinten über. Wir haben kurzum die Norm nie geschafft und kamen dementsprechend immer auf Strafration. Ich wusste, bei 100 Prozent gab es die volle Essensration. Die hatten wir nie erreicht. … Das war die fürchterlichste Zeit dort unten im Lager. Es gab Anmarschwege zum Schacht VI, die haben zwei Stunden gedauert. Fürchterlich im Purga, dem Schneesturm. Das heißt, morgens hat immer einer gemessen. Wenn die Temperaturen unter fünfundvierzig Grad minus war, brauchte man nicht im Schacht zu bleiben. Das war aber sehr, sehr selten. Es kam mal vor. Und das war dann so ein Feiertag für uns, einmal nicht raus zu müssen."
Anne Drescher: Haft am Demmlerplatz. Gespräche mit Betroffenen. Sowjetische Militärtribunale Schwerin 1945-1953. 2., korr. Auflage. Schwerin 2004. Herausgeber: Der Landesbeauftragte für Mecklenburg-Vorpommern für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR. S. 198.
|